Die Eigenverwaltung wurde 2012 als neue Möglichkeit für Unternehmer in der Krise eingeführt, sich mit Zustimmung der Gläubiger mithilfe eines Restrukturierungsberaters und unter Aufsicht eines Sachwalters selbst zu sanieren. Dafür muss der Sachwalter seine Rolle als kritischer Begleiter ernst nehmen.
Von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenzrecht Mark Steh, Inhaber von hammes. Insolvenzverwalter
Der Blick auf das Instrument der Insolvenz in Eigenverwaltung, nachhaltig bekannt geworden vor elf Jahren im Zuge des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG), ist gespalten. Zwar ist das Ansinnen des Gesetzgebers zu begrüßen, Unternehmen ein schnelles Sanierungsinstrument zur Verfügung zu stellen, das nach erfolgreichem Abschluss den Erhalt in der Hand des Eigentümers ermöglicht. Die Eigenverwaltung sollte eine frühere Antragstellung, eine stärkere Einbindung der Gläubiger und eine professionelle schuldnergetriebene Sanierung zum Erhalt des Unternehmens in eigenen Händen bei gleichzeitiger Erfüllung von § 1 Insolvenzordnung (InsO) erreichen, also die bestmögliche Befriedigung der finanziellen Interessen der Gläubiger.
Kaum noch Spielraum für die Sanierung in der Regelinsolvenz
Auf der anderen Seite straft der Insolvenz- und Sanierungsprozess diesen guten Willen des Gesetzgebers allzu oft Lügen. Erfahrungsberichte zeigen, dass der Großteil der Unternehmen, die sich initial in Eigenverwaltung sanieren wollen, nach einer gewissen Zeit doch in der Regelinsolvenz landen, aber dann bereits so viel Liquidität verbraucht haben, dass es kaum noch Spielraum für die Sanierung in der Regelinsolvenz gibt. Und die Managementberatung Boston Consulting Group hatte 2017 festgestellt, dass die durchschnittliche Verfahrensdauer bei 763 Tagen liegt. Dass die Eigenverwaltung also schnell zu nachweisbaren Sanierungserfolgen führe, wie gerne behauptet wurde und wird, lässt sich demnach praktisch widerlegen.
Die Kritik an der Eigenverwaltung: Es wird ein Wandel von gesetzlichen Aufgaben hin zu berater- und schuldnerfreundlichem Verhalten gesehen und damit eine Abkehr vom wichtigsten Faktor des Insolvenzverfahrens, der bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger nach § 1 Insolvenzordnung. Das passiert, weil Sanierungsberater viele Verfahren dominieren. Das führt beinahe zwangsläufig zu einer vom Gericht oder von den Gläubigern nur noch schwer zu kontrollierenden Nebeninsolvenzverwaltung, deren Gefahrenpotenzial weiterhin unterschätzt wird.
Sachwalter hat die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen
Maßgeblich für eine rechtssichere und gläubigerorientierte Eigenverwaltung ist die Person des Sachwalters. Dessen Rolle ist in § 274 Insolvenzordnung geregelt. „Der Sachwalter hat die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen und die Geschäftsführung sowie die Ausgaben für die Lebensführung zu überwachen. Das Gericht kann anordnen, dass der Sachwalter den Schuldner im Rahmen der Insolvenzgeldvorfinanzierung, der insolvenzrechtlichen Buchführung und der Verhandlungen mit Kunden und Lieferanten unterstützen kann. Stellt der Sachwalter Umstände fest, die erwarten lassen, dass die Fortsetzung der Eigenverwaltung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird, so hat er dies unverzüglich dem Gläubigerausschuss und dem Insolvenzgericht anzuzeigen. Ist ein Gläubigerausschuss nicht bestellt, so hat der Sachwalter an dessen Stelle die Insolvenzgläubiger, die Forderungen angemeldet haben, und die absonderungsberechtigten Gläubiger zu unterrichten.“
Sachwalter sorgt für die Einhaltung der insolvenzrechtlichen Rahmenbedingungen
Das bedeutet: Der Sachwalter hat dafür zu sorgen, dass die Insolvenzgläubiger bestmögliche Befriedigung erfahren und eben nicht die Interessen des Insolvenzschuldners im Fokus stehen. Diese können (und sollen) gewahrt werden, wenn sie mit den Gläubigergesamtinteressen konform gehen, müssen aber zurückstehen, falls dies nicht der Fall ist. Der Sachwalter muss als gerichtlich bestellte Instanz dafür sorgen, dass das Verfahren in Eigenverwaltung nicht nachteilig für die Gesamtheit der Gläubiger ist, weil ja gerade der Schuldner in der Eigenverwaltung die meisten Aufgaben des Insolvenzverwalters übernimmt. Damit der Bock nicht zum Gärtner gemacht wird, sorgt der Sachwalter für die Einhaltung der insolvenzrechtlichen Rahmenbedingungen. Er darf sich keinesfalls mit dem Insolvenzschuldner gemein machen, um Schaden von den Insolvenzgläubigern abzuwenden, und wichtige Angelegenheiten wie eben die Überwachung des Schuldners, die Führung der Insolvenztabelle, in Einzelfällen die Übernahme der Kassenführung und die Anzeige der Masseunzulänglichkeit neutral als Organ der Rechtspflege durchführen.
Sachwalter ist regulatorische Instanz mit insolvenzrechtlicher Kompetenz
Dass ein objektiv und professionell agierender Sachwalter im Eigenverwaltungsverfahren benötigt wird, zeigt sich auch daran, dass die notwendige insolvenzrechtliche Kompetenz des Schuldners nicht immer sichergestellt ist und auch nicht von jedem Berater gewährleistet wird. Der Schuldner muss (gemeinsam mit seinem Berater) zur Führung der Eigenverwaltung geeignet sein, da er, abgesehen von den besonderen Befugnissen des Sachwalters, alle Aufgaben und Pflichten wahrzunehmen hat, die ansonsten der professionelle Insolvenzverwalter zu erfüllen hat. Das heißt: Der eigenverwaltende Schuldner muss ebenso wie ein Insolvenzverwalter geeignet und geschäftskundig sein. Es lässt sich aber feststellen, dass diese Kompetenz de facto oft selbst bei beratenen Schuldnern nicht oder nicht hinreichend vorhanden ist. Dann dient der Sachwalter als Regulativ und bringt seine Kompetenzen und Erfahrungen aus der Insolvenzverwaltung in die Kontrolle des Eigenverwaltungsverfahrens ein.
Der Sachwalter ist kein „Pendant″ zum Insolvenzverwalter, weil seine Befugnisse erheblich abweichen. Gleichwohl gelten viele Vorschriften, die für den Verwalter gelten, auch für ihn: So wird er vom Insolvenzgericht bestellt und steht unter dessen Aufsicht. Das Gericht kann jederzeit Auskünfte und Berichte über den Sachstand und die Geschäftsführung von dem Sachwalter verlangen. Diese beizubringen und das Gericht in der Verfahrensaufsicht zu unterstützen und zu qualifizieren, ist die Hauptaufgabe des Sachwalters, der seine Rolle ernst nimmt.